Mein Telefon war plötzlich tot - nix mehr, aus, Exitus. Ein Mensch
von der Telekom erklärte mir übers Handy, mein NTBA sei kaputt
(das ist der kleine graue Kasten, der für´s ISDN zuständig
ist) und er werde mir ein Ersatzteil schicken. Das war am Freitag. Am
Montag traf nix bei mir ein. Also fragte ich nach, wie lange das dauern
könne, und ob es nicht besser wäre, jemanden vorbeizuschicken
- schließlich ist das doch eigentlich Sache der Telekom, an die
ich krachende Gebühren zahle. Und dann erfuhr ich - völlig
fassungslos - was so ein Besuch von der Telekom kosten würde.
Berechnet wird ab Beginn der Anfahrt. Die ersten
15 Minuten kosten 60 Euro,
jede weitere Viertelstunde 25 Euro.
Ich habe mich hingesetzt und nachgerechnet.
Mein Techniker müßte mindestens aus Brandenburg anreisen,
wahrscheinlich sogar aus Potsdam, da ja zur Optimierung der Gewinne
und zur Erleichterung des Personal-Abbaus alles gnadenlos zentralisiert
wird. Selbst unter günstigsten Bedingungen käme ich nicht
unter 300 Euro davon. Käme ein kleiner Stau dazwischen, würde
die Sache unberechenbar. Mit anderen Worten: Wer draußen auf dem
Land wohnt, muß entweder selber stöpseln oder jemanden kennen,
der sich darauf versteht. Was einem nicht leicht gemacht wird: Dem Ersatz-NTBA
lag ein Kabel bei, mit dem ich es nicht anschließen konnte,
weil mir mein DSL dabei im Wege war. Glücklicherweise werfe ich
keine Kabel weg, und so konnte ich aus einem Wust von Strippen nach
langem Suchen etwas Passendes hervorzerren. Anderenfalls hätte
ich noch für mindestens eine Woche auf mein Telefon verzichten
müssen.
Warum ich mich hier, auf meiner Homepage, gleichsam öffentlich
darüber aufrege? Weil es über das bloße Ärgernis
hinaus ein weiteres Symptom ist für eine Sache, die mich wirklich
nervt. Es ist bloß so mühsam, darüber zu schreiben,
denn es ist eine äußerst verzwickte und ungeheuer komplexe
Materie: Die Globalisierung und ihre Folgen.
In der Schule - vor
langer, langer Zeit, so ungefähr 1961, also kurz nach der Steinzeit
- habe ich mal gelernt, daß der Staat ein paar Monopole haben
muß, die er nicht aufgeben darf. Das waren die Energie-Versorgung
(Strom und Gas), das Transportwesen (Bahn) und die Kommunikation (Telefon
und Post). Weil nämlich im Fall des Falles - bei einer Katastrophe,
einer politischen Krise, einer Bedrohung von außen oder innen
- die Energieversorgung, die Kommunikation und der Transport von Menschen
und Gütern gesichert sein müssen und nicht als Tummelplatz
für geldgierige Geier herhalten dürfen. Und genau für
diese Bereiche waren Beamte zuständig, die von Berufs wegen per
Amtseid z.B. auf ihr Streikrecht verzichten mußten und auch sonst
jederzeit zu tun hatten, was der Staat ihnen befahl.
Ich finde diese Idee mit den staatlichen Monopolen auch heute noch sehr
vernünftig. Hätten wir sie noch, wären wir mit Sicherheit
besser dran in Sachen Nahverkehr, Fahr-, Strom-, Gas- und andere Preise.
Aber unsere Politiker sehen das offenbar anders. Außerdem brauchen
sie nun mal immer und ewig Geld, Geld und noch mehr Geld, und darum
müssen sie unbedingt und immerzu - nein, nicht nur das,
sondern auch verkaufen. Auch wenn es längst nicht mehr um etwas
so Entbehrliches geht wie um das sprichwörtliche Tafelsilber, sondern
eher um etwas so Lebenswichtiges wie die eigenen Nieren. Um alle beide.
Warum riskieren die das? Die großen Firmen verdienen sich dumm
und dusselig - da sollten Unmengen von Steuergeldern reinkommen. Hinzu
kommt all die Knete, die sie uns Bürgern abpressen. Dieser Staat
müßte stinkreich sein! Wo bleibt der ganze Zaster?
Ein schöner Batzen wird rausgeschmissen für Dinge und Aktionen,
die kein Aas braucht - siehe z.B. "Du
bist Deutschland" oder die sau-teuren, verfassungswidrigen
Neuwahlen. Usw. Aber es müßte trotzdem noch mehr als genug
übrigbleiben - wenn die gerade erwähnten, sich dumm und dusselig
verdienenden (Groß)Firmen ihre Steuern auch tatsächlich zahlen
würden! Tun sie aber nicht. Und was für uns - da strafbar
- die übelsten Folgen hätte, wird bei denen noch belohnt,
durch immer weitere Senkung der Lohn-Nebenkosten und Unternehmens-Steuern.
Durch Vergünstigungen eben.
Eine Vergünstigung, der Verzicht auf eine Einnahme, ist aber nichts
anderes als eine passive Zahlung: Unser Staat zahlt - wir
alle zahlen - an alle möglichen Firmen indirekt Geld. Damit
sie überhaupt im Lande bleiben. Und bei uns Geld verdienen. Für
das sie keine Steuern zahlen und das sie nach Lust und Laune außer
Landes schaffen können.
Kein Wunder, daß wir pleite sind!
Natürlich lassen sie uns was übrig, damit wir - der Staat
- überhaupt noch funktionieren können - man schlachtet ja
schließlich den Esel nicht, bevor er den Karren mit dem Heu in
die Scheune gezogen hat. Aber ist Ihnen schon mal aufgefallen, mit welcher
Unverfrorenheit sich die Vertreter der Wirtschaft in die Politik einmischen?
Den Herrn Hundt z.B. geht die Gesundheitspolitik einen feuchten Kehricht
an, und bei der Altersversorgung hat er auch nix zu sagen - er ist mitnichten
ein gewählter Vertreter des Volkes! Trotzdem melden er und die
anderen sich bei jeder Gelegenheit lautstark zu Wort. Sie reden über
politische Themen, als hätten sie tatsächlich etwas zu bestimmen!
Und Forderungen stellen sie - da bleibt einem doch glatt die Spucke
weg, so unverschämt sind die! Und was machen die Politiker? Keiner
von denen weist die finanzkräftigen Herren in ihre Schranken, nichts
dergleichen! Sie hoffen bloß immer, daß der Personalabbau
sich in Grenzen halten wird.
Das alles macht eines ganz deutlich: wir nähern uns mit beängstigendem
Tempo dem Punkt, an dem wir für die Herren aus der Wirtschaft -
zumindest als Arbeitskräfte - endgültig überflüssig
sein werden. Mit anderen Worten: Wir erleben die ach-so-großartige
Zeit der Globalisierung.
Die Globalisierung besteht aus drei Stufen - zwei davon dienen der Vorbereitung.
Die Globalisierung an sich bedeutet in ihrer letzten, auf grausige Weise
vollkommenen Stufe nichts anderes als das Ende aller zur Zeit existierenden
Sozialsysteme sowie jeder Form von staatlicher Eigenständigkeit.
Der Staat, wie wir ihn kennen, wird nur noch auf dem Papier bestehen.
Über unser aller Schicksal, über die Frage, wie und wovon
wir leben, werden dann - unabhängig vom Geschwätz der Politiker
- nur noch die global agierenden Konzerne entscheiden.
Die zwei vorbereitenden Stufen heißen Liberalisierung
und Privatisierung.
Liberalisierung klingt so schön nach
Freiheit, hat damit aber absolut nichts zu tun. Gemeint ist einzig und
allein die Befreiung der Wirtschaft - die
Abschaffung sämtlicher staatlicher
Monopole: sie werden auf internationaler, globaler
Basis zum Verkauf freigegeben.
Der Sinn und Zweck der Liberalisierung ist die Privatisierung
- der Übergang aller öffentlichen Güter in private Hände.
Durch die Privatisierung wird jede Form von öffentlicher Kontrolle
abgeschafft. Es gibt nichts mehr, was das hemmungslose Streben der Wirtschaft
nach immer höheren Einnahmen in irgendeiner Weise behindern könnte.
Gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen findet nicht mehr statt.
Staat, Politiker und Gewerkschaften können nichts mehr kontrollieren
und nichts mehr fordern, sondern nur noch bitten und betteln.
Die Folgen sehen wir schon jetzt: alteingesessene Firmen mit gutem Namen
und gutem Ruf werden von internationalen Konzernen aufgekauft und ganz
oder teilweise ausgelagert, aufgelöst, stillgelegt. Jedesmal wächst
die Zahl der Arbeitslosen, und es besteht nicht die geringste Hoffnung,
daß dieser Prozeß sich umkehrt - auch wenn unsere Politiker
nicht müde werden, uns das Gegenteil zu erzählen.
Aber die internationalen Konzerne kaufen nicht nur Firmen auf.
Wenn eine beliebige Stadt in Deutschland Geld braucht (und welche Stadt
braucht das nicht?) kann sie z.B. ihre öffentlichen Einrichtungen
(Sozialwohnungen, Schwimmbäder, Stadtreinigung, Müllabfuhr,
Kindergärten, Altenwohnheime, Pflegedienste, Nahverkehrsunternehmen,
Krankenhäuser usw) an einen - sagen wir mal - japanischen Konzern
verkaufen. Oder an ein Unternehmen aus Nigeria, Brasilien, Saudi-Arabien...
Wichtig ist nur eines: Der Konzern zahlt eine Summe, die im Augenblick
hoch aussehen mag. Die Stadtkasse ist saniert.
Die Frage ist nur: warum tut ein ausländischer Konzern so etwas?
Weil ihm die Sauberkeit von Köln am Herzen liegt, die Versorgung
der Alten und Kranken in München oder die Qualität des Trinkwassers
in Berlin?
Mitnichten (und Neffen): Geld will er verdienen,
und Geld wird er verdienen. Indem er z.B.
die bisherigen Sozialwohnungen in Eigentumswohnungen umwandelt, die
unrentablen Schwimmbäder schließt und die Grundstücke
(meist in bester Lage) verkauft, alle Kosten erhöht und gleichzeitig
die Zahl der Angestellten verringert, sich den Teufel was um Reparatur
und Wartung kümmert und für alle Dienstleistungen von der
Stadt und ihren Bürgern hohe Gebühren kassiert. Außerdem
hat die Stadt nun einen Haufen Arbeitslose am Hals, und sie muß
denen, die die teuren Eigentumswohnungen nicht kaufen können, Wohngeld
zahlen - sie muß überhaupt für alles
aufkommen, sehr zur Freude des Konzerns, der auf diese Weise seine Kosten
senkt und seine Gewinne erhöht.
Und natürlich zahlt dieser Konzern bei uns keine Steuern. Warum
sollte er auch? Höchstwahrscheinlich hat ihm die Stadt sowieso
per Vertrag auf Jahre hinaus die Steuern erlassen und ihm zum Ausgleich
die Abnahme seiner "Leistungen" zu Festpreisen garantiert
- selbstverständlich ohne die Möglichkeit einer vorzeitigen
Kündigung (von seiten der Stadt - der Konzern kann den Krempel
hinschmeißen, wann immer er will, indem er sich einfach für
pleite erklärt). Außerdem sitzt die betreffende Firma auf
der anderen Seite der Welt, weit, weit weg von den wütenden Bürgern.
(Wütende Politiker sind sowieso ausgestorben. Es sei denn, es geht
um die Art und Weise, wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt
werden - da sind sie empfindlich! Wenn
sie uns Bürger in Bausch und Bogen als arbeitsscheue Betrüger
hinstellen, ist das etwas ganz anderes!)
Je besser das Geschäft mit so einer Stadt läuft, je mehr er
herausholt, der Konzern, desto wertvoller wird die Immobilie, und wie
das so ist mit wertvollen Immobilien: sie sind eine tolle Investition.
Und dem Einfallsreichtum der privaten Besitzer sind keine Grenzen gesetzt:
Es läßt sich irre viel Geld aus einer Stadt herauspressen!
Irgendwann spüren die Bürger die Folgen: Schlechtes Trinkwasser
macht die Menschen krank, Hochspannungs-Maste fallen ihnen auf die Köpfe,
Busse verunglücken, weil sie nicht gewartet werden oder die Konzernleitung
billige, unqualifizierte Fahrer angestellt hat - in so einer Stadt kann
sehr viel geschehen, wenn man die nötige Sorgfalt wegläßt.
Aber bis das auffliegt, ist der ganze Krempel längst um zehn Ecken
weiterverkauft. Niemand weiß dann noch, wen er anklagen soll.
Höchstwahrscheinlich war der japanische Konzern sowieso nur eine
vorgeschobene Strohpuppe - der wirkliche Käufer sitzt ganz woanders.
Und hat selbst auch schon weiterverkauft.
Das ist Privatisierung.
Am Ende dieses Prozesses gehören wir mit Haut und Haaren Leuten,
von denen wir noch nicht einmal wissen, wer sie sind und wo wir sie
finden können. Damit erledigt sich dann auch gleich die Idee, sie
protesthalber mit entsprechenden Gegenständen zu bewerfen - wir
kommen sowieso nicht an sie ran.
Die Liberalisierung ist bei uns bereits so gut wie abgeschlossen, einschließlich
der entsprechenden Gesetzesänderungen bis hinein in den Bereich
der Grundgesetze.
Die Grundgesetze, unsere Verfassung - das waren früher mal Dinge,
an die niemand rühren durfte. Sie waren sehr sorgfältig bedacht
und formuliert. Inzwischen kann ein lustloser Kanzler mit "Basta"
und eitlem Gehabe die Sache mit den Neuwahlen einfach kippen - so wenig
sind Grundgesetz und Verfassung noch wert. Vor allem dann, wenn sie
unseren Politikern nicht ins Konzept passen. Und das wird immer öfter
der Fall sein.
Früher hatten die Parteien Programme - jetzt haben sie Slogans
(fehlt bloß noch, daß man sie singt, wie Werbe-Jingles).
Früher ging es um Verantwortung, heute geht es um Macht. Macht
und Geld sind wie Siamesische Zwillinge: sie sind nur sehr schwer voneinander
zu trennen. Hat man die Macht, kriegt man auch das Geld - das läuft
ganz automatisch.
Wahrscheinlich ist das der Grund dafür, daß jene Politiker,
die gerade dran sind an der Macht, immer so verdammt fröhlich aussehen.
Denn während viele ihrer Wähler immer ärmer werden, werden
sie immer reicher. Das stimmt sie natürlich
glücklich. Außerdem haben sie für sowas ihre Image-Trainer.
Sie werden gestylt und beraten von denselben Leuten, bei denen auch
die Manager und all die anderen Strahlemänner und -frauen lernen,
eine "positive Ausstrahlung" zu verbreiten.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich persönlich habe
das Gefühl, die wollen mich veräppeln, wenn sie auf´s
Podium steigen und freudestrahlend verkünden, daß sie die
Steuern erhöhen. Und da liegt natürlich der Gedanke nahe,
daß sie auch Grund zur Freude haben, weil sie genau wissen, daß
sie mit Gegenwerten zu rechnen haben. Und zwar nicht von uns Bürgern.
Und wir werden niemals die Möglichkeit haben, es ihnen wirklich
nachzuweisen, selbst wenn sie sich noch so dämlich anstellen. Denn
die Wege des Geldes sind heutzutage nicht mehr so durchsichtig wie einst.
Während es per Gesetz sowohl dem Staat, als auch der Wirtschaft
immer leichter gemacht wird, uns Bürger bis unters Hemd zu durchleuchten,
wird über das finanzielle Treiben der Unternehmen eine dicke Decke
gebreitet, unter der sie in aller Ruhe munkeln und kunkeln können.
Früher gab es Einschränkungen und Verbote in bezug auf den
Transfer von Geldern in andere Länder. Alle
Staaten hatten entsprechende Gesetze. Es gehörte eine Menge kriminelle
Energie dazu, das Kapital einer ganzen Firma außer Landes zu schaffen.
Heutzutage ist das ganz legal. Die entsprechenden Gesetzesänderungen
wurden europaweit von der EU durchgesetzt.
Durch die Preisgabe der gesamten Wirtschaft wird mittlerweile fast alles,
was wir kaufen, in Betrieben erzeugt, die hintenrum irgendwie zu einem
Global-Player gehören. Wir geben hier bei uns Geld aus, das irgendwo
auf der Welt versickert - wir wissen nicht mal, wo! Und diejenigen,
die in diesen Betrieben arbeiten, bezahlen mit dem Geld, das sie dabei
verdienen, wiederum Waren, die aus ähnlichen Betrieben kommen.
All dieses Geld fließt mehr oder weniger komplett ins Ausland
und geht damit dem Staat verloren.
Der Staat sind wir - das Geld geht uns
verloren. Unter diesen Umständen können wir arbeiten, bis
wir alle miteinander tot umfallen - es wird uns nichts nützen,
wir werden nie einen wirklichen Gewinn davon haben!
Was das mit meinem kaputten Telefon zu tun hat? Sehr viel.
Die heutige Telekom war früher einmal Teil der Post - da hieß
das Ganze noch "Fernmeldedienst", und der machte satte Gewinne.
Die immer mit Verlust arbeitende Brief- und Paketpost wurde mit diesen
Gewinnen finanziert, die Gleichstellung aller Kunden war unumstößliches
Prinzip, und für gleiche Leistungen zahlte man im gesamten Bundesgebiet
gleiche Gebühren, und das waren auf keinen Fall 600 DM für
das Auswechseln eines defekten Gerätes! Bei alledem blieben immer
noch etliche Milliarden übrig, die der Staatsbetrieb nicht behalten
durfte, sondern an den Staat abgeben mußte. Der Staat verdiente
an der Post - und natürlich an ihren Kunden, also an uns, an den
Bürgern. Und das war auch bei den anderen Staats-Monopolen so und
- über die Steuern - in der gesamten Wirtschaft.
Es war ein Kreislauf. Er war nicht perfekt, aber im großen und
ganzen funktionierte er. Das Geld, das wir alle - Arbeitnehmer wie auch
Arbeitgeber - innerhalb dieses Staates verdienten, floß (zumindest
zu einem sehr großen Teil) auch wieder in den Staat zurück.
Und wenn man zusätzliche Arbeitsplätze brauchte, dann wurden
eben vom Staat welche geschaffen. Im öffentlichen Dienst. Die Leute
kamen in Lohn und Brot, und da sie Geld hatten, konnten sie auch Geld
ausgeben. Sie wurden mit Steuergeldern bezahlt, die über den Konsum
und die damit verbundenen Steuern wieder in die Staatskasse zurückflossen.
Immer rundrum. Zufriedene Bürger schufen gute Waren, die im Ausland
begehrt waren. So kam zusätzliches Geld in die Kasse.
Aber dann gingen unsere Politiker hin und verkauften - nicht nur die
Post. Dabei wurden sie nicht müde, uns zu versichern, daß
mit der Privatisierung alles besser würde. Vor allem billiger.
Und dieses Märchen erzählen sie uns auch heute noch, obwohl
sie es inzwischen wirklich besser wissen müßten!
Nichts wird billiger dadurch, daß
man es privatisiert. Manchmal mag es auf den ersten Blick so scheinen,
aber wenn man ein bißchen genauer hinschaut, merkt man sehr schnell,
daß die angeblichen Vorteile mit Bergen von Nachteilen erkauft
werden. Z.B. mit einem massiven Personal-Abbau.
Bei der Telekom hat das folgende Auswirkungen: Der Service verschlechtert
sich - bis er praktisch nicht mehr existiert. Die Zahl der Telekom-Mitarbeiter
sinkt, die der Arbeitslosen steigt. Die Telekom denkt nicht im Traum
daran, sich für ihre arbeitslosen Ex-Mitarbeiter verantwortlich
zu fühlen. Und der Staat kann die Arbeitslosen nicht einfach auf
offener Straße verhungern lassen. Er muß dafür sorgen,
daß sie überleben. Also zahlt er ihnen Geld. Das nimmt er
von den Steuern - woher auch sonst? Einen Teil des Geldes holt er sich
zurück, indem er z.B. die Mehrwertsteuer erhöht. Damit werden
alle Waren teurer. Von diesen teuren Waren können sich die arbeitslosen
(und auch die arbeitenden) Bürger aber immer weniger leisten. Und
wenn sie was kaufen, stammt das mit großer
Wahrscheinlichkeit wieder mal aus einem dieser multinationalen Konzerne,
die den Gewinn umgehend abziehen und in ihre multinationalen Unternehmen
stecken. Die hier bei uns keine Steuern zahlen.
Die Privatisierung macht die Konzerne reich und den Staat arm.
Der Staat sind wir.
Die Privatisierung macht uns arm.
Das ist eigentlich ganz leicht zu verstehen, nicht wahr? Warum aber
verstehen es dann nicht auch unsere Politiker, die doch allesamt studierte
Leute sind?
Wenn sie uns immer wieder erzählen, daß die Liberalisierung
und die Privatisierung und die Globalisierung gut für uns sind
- glauben die das? Wenn ja, sind sie alle
miteinander so dumm, daß man sie sofort ihres Amtes entheben müßte.
Oder tun sie bloß so? Dann gehören sie vor Gericht, denn
sie haben per Eid geschworen, Schaden von uns abzuwenden.
Und das tun sie definitiv nicht!
Ich wünsche mir, daß wenigstens einer unserer Politiker irgendwann
- möglichst bald! - den Mut aufbringt, öffentlich zu erklären,
warum das so ist:
Weil dieser Staat schon jetzt kein souveräner Staat mehr ist.
Weil wir in Wirklichkeit kaum noch von innen, von unseren Politikern,
sondern fast nur noch von außen regiert werden - von der WTO,
von der EU, von den Börsen und den Banken, die uns das Geld geben
oder nehmen können, wie es ihnen gerade paßt.
Von allen möglichen Leuten und Institutionen, die wir nie gewählt
haben, die wir nicht mal kennen. Nach denen sich unsere Politiker aber
aus diesen oder jenen Gründen zu richten haben. Wegen der politischen
Großwetterlage. Wegen sogenannter Sachzwänge. Weil sie sonst
von ihren Amtskollegen schief angesehen werden. Und natürlich weil
diejenigen, die die wirkliche Macht haben,
uns jederzeit die Mittel sperren können.
Es ist eine schmerzliche Wahrheit, aber sie muß irgendwann ans
Licht.
Ehe es endgültig zu spät ist.
Ein einheitliches Europa, eine einheitliche Welt,
wären an und für sich eine feine Sache. Aber Einheit darf
nicht einhergehen mit einer allgemeinen Verarmung und Verarschung der
Bürger.
(©)
by Marianne Sydow 2006