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Marianne Sydow
 
 
   
 
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Mein Zoo-Desaster
Bruno, der Bär
 
(geschrieben Anfang 2006)
 
   
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Eigentlich habe ich nicht viel übrig für Leute, die Tiere hinter Gitter sperren, um sie dem zahlenden Publikum vorzuführen. Aber gut geführte Zoos können heute viel bewirken. Es gibt Tiere, die ohne die Zoologischen Gärten bereits ausgestorben wären. Eine wachsende Zahl von Arten würde ohne internationale Zuchtprogramme (an denen auch der Zoologische Garten Berlin beteiligt ist) innerhalb weniger Jahre vom Angesicht unserer Erde verschwinden.

Darum dachte ich, es wäre eine gute Sache, mir trotz meiner Abneigung gegen das Einsperren von Tieren mal einen Zoo über einen längeren Zeitraum hinweg ganz intensiv anzusehen. Meine Wahl fiel auf den Zoologischen Garten Berlin, weil er für mich (im Vergleich zu anderen Zoos) relativ gut erreichbar ist - alles in allem "nur" rund 4 Stunden für Hin- und Rückfahrt per Auto und Bahn.

Von Anfang März bis Mitte Dezember 2005 wanderte ich also bis zu viermal pro Monat mit meiner Kamera durch den Zoo. Ich habe eine Menge Bilder heimgebracht. Einige davon sind wirklich wunderschön. Und so dachte ich, es wäre doch fein, diese Prachtstücke in meiner Fotogalerie zu präsentieren.

Aber daraus wird leider nichts.

In der Gartenordnung des Berliner Zoos verbirgt sich nämlich zwischen den üblichen Verboten (Tiere nicht füttern oder necken, Rasen nicht betreten usw.) folgender Passus (Zitat):

"Das Fotografieren und Filmen zu privaten Zwecken ist erlaubt. Fotografien und Filme dürfen ohne die ausdrückliche schriftliche Zustimmung der wissenschaftlichen Abteilung des Zoo weder gewerblich verwendet noch an Dritte zur Nutzung übertragen werden. Der Fotografierende überträgt sämtliche und ausschließliche Urhebernutzungsrechte an den von ihm gefertigten Aufnahmen auf die Zoologischer Garten Berlin AG."

(Zitat Ende. Den letzten Satz lese man zweimal.)

Ich habe diesen Passus erstmal nicht weiter ernstgenommen. Ich wollte meine Bilder nicht verkaufen. Ich hatte die Absicht, eine ca. 25 Einzelseiten umfassende Galerie aufzubauen, die den Zoo von seiner besten Seite zeigen sollte: nicht nur als "Tier-Sammlung", sondern auch als wunderschönen Park und als "Kunst-Meile", rund ums Jahr und bei allen Wetterlagen. Ich hätte diese Zoo-Galerie hier auf meiner eigenen Homepage präsentiert. Das hätte den Zoo keinen einzigen Cent gekostet: Kostenlose Werbung.

Aber - so wurde mir vom Zoologischen Garten Berlin gesagt - ich müßte dann garantieren, daß NIEMAND sich eines meiner Bilder (die nach obiger Gartenordnung gar nicht meine Bilder sind), herunterlädt, weitergibt oder anderweitig verwendet.

Ich habe lange darüber nachgedacht:
Eine solche Garantie kann ich nicht geben,
und einen Rechtsstreit mit der Zoo AG
kann ich mir nicht leisten.

Anfangs war ich erstmal nur wütend. Ich hatte viel Arbeit, Zeit und Geld in diese Idee investiert, und ich dachte, daß die Leute von der Zoo AG bloß aus reiner Geldgier so strikt auf ihre "Urheberrechte" pochen. Aber dann dachte ich an all jene Bilder und Eindrücke, die ich von vornherein ausgeklammert hatte, und mir wurde klar, daß es möglicherweise noch einen ganz anderen Grund gibt: Vielleicht haben die Verantwortlichen ja auch ein bißchen Angst davor, daß ohne umfassende Kontrolle auch unerwünschte Bilder an die Öffentlichkeit gelangen könnten.

Denn der Zoologische Garten Berlin liegt mitten in der Stadt, das Platzangebot ist begrenzt, die Zahl der Tiere, die sich diesen Platz teilen müssen, ist groß, und das schafft Probleme.

Vor allem für die Tiere.

Bei meinen ersten Besuchen stufte ich viele Dinge als einzelne Ereignisse ein, aber mit der Zeit kam ich dann dahinter, daß es sich statt dessen um Zustände handelt.

Da sind z.B. die Nutrias in ihrem (für die Zahl der Tiere) engen Gehege, viele von ihnen mit abgebissenen Schwanzenden - kaum eines der Nutria-Kinder auf meinen Fotos ist unversehrt, fast alle haben blutige Stümpfe.

Die Mantel-Paviane leben auf einem kahlen Felsen, auf dem es kein bißchen Grün gibt und kein bißchen ebenen Boden, auf dem die Tiere sich unbekümmert austoben könnten. Nie werde ich die kleine Pavian-Dame vergessen, die mir gegenüber auf dem harten Gestein saß und ihren Finger betrachtete, von dem das Blut heruntertropfte und über die Felsen lief. Als ich erstmal die Bedeutung dieser dunklen Spuren realisierte, sah ich sie überall auf dem Affen-Felsen - die kleine Pavianin war kein Einzelfall.

Das Freigehege für die kostbaren Orang-Utans bietet den armen Wald-Menschen auffallend wenig Möglichkeiten, auf Bäumen herumzuklettern. Auch sonst gibt es im Orang-Freigehege so gut wie nichts zum Spielen und Entdecken.

Die Tiger mußten ihr Freigehege an einen der beiden Großen Pandas abtreten (dem ich die Bewegungsfreiheit wohlgemerkt von ganzem Herzen gönne) und sitzen nun tagein tagaus drinnen im Haus in ihren engen Käfigen. Die Böden der Käfige für die Großkatzen sind zu allem Überfluß so glatt, daß die Tiere bei schnellen Bewegungen sehr oft darauf ausrutschen. Kratzen, scharren, sich im Sand oder im Gras wälzen, herumtoben, eingebildete Beute belauern oder einfach nur mal die Sonne auf dem Pelz spüren: das ist für sie nicht vorgesehen.

Mal so richtig rennen, schwimmen oder fliegen - das ist sowieso nur ganz wenigen Tieren im Berliner Zoo vergönnt. Alle anderen verbringen ihr Leben im ersten Gang.

Die meisten Zebras haben so wenig Platz, daß sie niemals mehr als ein paar jämmerliche Galoppsprünge riskieren können.

Die großen Kamele haben ungefähr genauso viel Platz wie die Zebras - sie können nicht viel mehr tun, als "majestätisch" dazustehen. Aber dekorativ sollen sie sein. Darum gibt es in ihrem kärglichen Auslauf ein paar schöne große Felsbrocken.

Im Vogelhaus hocken Aras in fast rundum verglasten Käfigen, in denen sie kaum einen einzigen Flügelschlag weit fliegen können, eingesperrt mit nur ein bis zwei komplett entrindeten, nahezu astlosen, vollkommen glattgewetzten Baumstämmen, und fressen sich vor Langeweile und Verzweiflung die Federn vom Leib.

Den Vater des süßen Elefanten-Babies habe ich kein einziges Mal im Freien gesehen, auch nicht im Innenraum des Elefantenhauses. Im Fernsehen war zu sehen, wie er durchs Gitter hindurch mit dem Schlauch abgespritzt wird und dabei - zwecks Beschäftigungs-Therapie - mal den einen, mal den anderen Fuß heben darf. Kommt dieses arme Tier eigentlich jemals aus seinem engen, kahlen, dick vergitterten "Bullenstall" heraus? Wenn ja - sehr selten.

Die Biber leben in einer Betonburg, auf der ein paar Knüppel herumliegen. Den Tieren stehen zwei kleine Wasserbecken zur Verfügung. Ein Gitter trennt das tiefere der beiden Becken von einem Graben, in dem die Biber eigentlich weiterschwimmen könnten, wenn man sie denn ließe, und sie wissen, daß es dort weitergehen könnte und suchen verzweifelt nach einer Öffnung im Gitter: wann immer ich sie draußen gesehen habe, waren sie praktisch nur mit dieser Suche beschäftigt. Den ganzen Hohn ihrer Situation kriegen sie dabei glücklicherweise noch nicht mal mit, weil sie (hoffentlich) nicht lesen können: An der ganzen Anlage steht doch tatsächlich dran: "Biber in ihrem natürlichen Lebensraum".

Und das sind nur einige wenige Beispiele. Ich könnte noch eine ganze Weile so weitermachen.

Wie gesagt: Ich hatte noch nie was übrig für Leute, die Tiere nur deshalb hinter Gitter sperren, um sie dem zahlenden Publikum vorzuführen. Zoologische Gärten haben heute offiziell eine ganz andere Bedeutung: Sie dienen dem Arten- und Umweltschutz, und das ist wichtig. Die Arbeit, die dort (auch im Berliner Zoo) auf diesem Gebiet geleistet wird, ist aller Ehren wert.

Aber daß es z.B. für die Arterhaltung nötig ist, die Aras mit den federlosen Bäuchen unter derart üblen Bedingungen zu belassen,
kann ich beim besten Willen nicht glauben!

 
 
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