"Danke!"
sagte sie unterwegs in das winzige Mikrophon des Scanners.
"Gern geschehen", erwiderte Cheroux. "Du siehst aus, als
würdest du gleich umfallen. Was ist mit dir los?"
"Es ist
nur ein Sonnenkater", wehrte Jonna unwillig ab, aber sie spürte
bei diesen Worten eine Welle von Übelkeit in sich aufsteigen. Sie
kippte zur Seite, fand Halt an der Wand, stand da, schweißüberströmt,
mit keuchendem Atem und Schwindel im Hirn. Alles drehte sich um sie.
Sie lauschte ängstlich, erwartete jeden Moment, daß neugierige
Bürger um die Ecke kamen.
Wenn die mich so sehen, werden sie Pest und Cholera schreien! dachte
Jonna verzweifelt. Und vielleicht liegen sie damit
gar nicht so weit daneben!
"Gleich um die Ecke ist eine Sani-Station", sagte Cheroux besorgt.
"Laß dich untersuchen!"
"Ich bin nur müde!"
"So siehst du aber nicht aus! Jetzt mach kein Theater - ab in den
Sani, verdammt! Willst du denn unbedingt eine Panik auslösen? Sie
kommen gleich um die Ecke! Mach, daß du da wegkommst!"
Du hast gut reden! dachte Jonna. Wenn du
denkst, daß ich jetzt noch rennen kann...
Sie schleppte sich um die Ecke und in eine Nische. Dort sackte sie in
sich zusammen.
Nur ein bißchen ausruhen!
Wenigstens war sie jetzt außer Sichtweite der Trauergesellschaft.
Sie hörte gedämpfte Schritte und Stimmen vom Hauptkorridor her
- sie schwollen an und wurden dann leiser, als die Gruppe an der Abzweigung
vorbei war.
"Wo ist die Sani-Station?" fragte sie.
"Sechste Tür von rechts. Wirst du das schaffen?"
"Es geht gleich wieder. Ein bißchen Sonnenkater. Das war keine
angenehme Fahrt da draußen!"
Und wenn ich mir nun wirklich was geholt habe?
Das System hatte die Gefahr einer Infektion in der letzten Zeit als immer
geringer eingestuft. Auch die widerstandsfähigsten Krankheitserreger
konnten außerhalb ihrer Wirte unter natürlichen Bedingungen
nur für begrenzte Zeit überleben. Aber wenn die Außenweltler
ins Spiel kamen, wurde es heikel.
Und ich war ihnen heute sehr nahe. Ich habe ihren
Lagerplatz untersucht - habe ich mich dabei etwa infiziert?
Aber andererseits war sie sehr vorsichtig gewesen. Sie hatte die Hinterlassenschaften
der Außenweltler nicht berührt, sondern alles - insbesondere
die Essensreste - nur aus respektvollem Abstand betrachtet. Außerdem
verspürte sie nichts weiter als die Symptome eines ganz normalen
Sonnenkaters. Sie hatte offenbar nicht einmal Fieber.
"Soll ich dir Hilfe schicken?" fragte Cheroux, wobei ihm deutlich
anzuhören war, daß er eine solche Maßnahme nur äußerst
ungern in Betracht zog. Beiden - dem Observer wie auch der Protektorin
- war klar, daß es unter den gegebenen Umständen nicht ganz
ungefährlich war, einen mobilen Sani herbeizurufen.
Jonna atmete tief durch.
"Nein", sagte sie. "Ich schaffe das schon!"
In genau diesem Augenblick hörte sie zwei Stimmen - ganz nahe: zwei
Bürger würden im nächsten Moment um die Ecke biegen.
Die kurze Verschnaufpause hatte ihr gut getan, und der durch den Schrecken
ausgelöste Adrenalinstoß tat ein übriges: Jonna schaffte
es gerade noch rechtzeitig, sich aufzurichten. Sie richtete ihren Scanner
auf die Wand und tat, als wäre sie beschäftigt. Die beiden Bürger
beeilten sich, aus ihrer Nähe zu kommen.
Als sie endlich weg waren, schleppte sie sich zu der bewußten Tür
und begab sich in
die Obhut eines Saniscans.
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