Bestellen, wie und wo

Inhalt der einzelnen Bände:
Band 1
Band 2
Band 3
Band 4
Band 5
Band 6
Band 7
Band 8
Band 9
Band 10
Band 11
Band 12
Band 13
Band 14
Band 15
Band 16
Band 17
Band 18
Band 19
Band 20


Zum Konzept
von Marianne Sydow
In eigener Sache
von Ralph Ehrig

Textprobe aus Band 1
Seite der Abonauten
Video bei Youtube
(besten Dank an "Kaffecharlie"
Karl Heinz R.Friedhoff)

 

 

Bestandskatalog der Sammlung Ehrig
„Zum Konzept“, von Marianne Sydow


Heinz-Jürgen Ehrig
war ein „Komplettsammler“ - er trug nicht einfach nur Bücher zusammen, sondern er sammelte ein ganzes Genre: Utopie und Phantastik in deutscher Sprache. In einem Zeitungs-Interview nannte er kurz vor seinem Tode die Zahl von 130000 Einzelstücken. Das war aber nur eine grobe Schätzung, die eher zu tief ausgefallen ist, Reporter mögen nun mal konkrete Zahlen. Er ist nie dazu gekommen, seine Sammlung auch nur annähernd komplett zu sortieren, geschweige denn, alles zu zählen. Ich selbst bin mit dem Sortieren bis jetzt nicht über die erzählende Literatur hinausgekommen. Ob ich es jemals schaffen werde, das ganze andere Material auch nur zu sichten, steht in den Sternen, vom Katalogisieren ganz zu schweigen. Aber wenigstens mit der erzählenden Literatur in der Großen Bibliothek sollte ich schon noch zurandekommen: Das sind doch nur 112 Regale.

Nur? Nun ja, der Rest füllt das ganze Haus, und das hat 327 m² Wohnfläche.

In den gerade erwähnten 112 Regalen habe ich die Autoren ganz demokratisch, unabhängig von ihrer literarischen Bedeutung, nach dem Alphabet sortiert. Ihre Werke sind nicht nach der äußeren Form voneinander getrennt: Hefte, Bücher, Taschenbücher und Leihbücher stehen friedlich nebeneinander. Auf diese Weise ergibt sich ein umfassender Überblick über das Schaffen jedes einzelnen Autors - wie und in welchen Verlagen seine Werke publiziert wurden und wer was davon in welcher Form gegebenenfalls nachgedruckt hat. Das schafft verblüffende Einblicke, denn so manches, was man offiziell zur Weltliteratur zählt, erschien auch schon mal als sogenanntes Groschenheft. Die Suchlisten meines Mannes, fast 2000 Titel allein bei den Vorkriegs-büchern, werden zu gegebener Zeit das Bild noch vervollständigen.

Der riesige Bestand an „Groschenheften“ aus drei Jahrhunderten ist übrigens eine der Besonderheiten dieser Sammlung. Von den Bibliographen wie auch von den Sammlern werden Romanhefte meist gar nicht erst wahrgenommen. Nun mag man sich über die literarische Bedeutung eines Gruselheftes streiten - es ist und bleibt trotzdem Teil unserer Kultur, und manch heute hochangesehener Autor wurde zu seinen Lebzeiten auch nicht besser eingestuft. Gut erhaltene Romanhefte zählen außerdem oft schon nach wenigen Jahrzehnten zu den gesuchten Raritäten.

Fast drei Jahre Vorarbeit lagen bereits hinter mir, als ich mich im September 2006 endlich an die Erstellung einer Bestandsliste begeben konnte. An der arbeite ich mich jetzt entlang und fülle die dürren Zeilen mit bibliographischen Daten auf. Aber Daten allein können ein Buch, noch dazu ein utopisch-phantastisches, nur unzureichend beschreiben; zu sehr lebt dieses Genre von den Bildern auf den Einbänden und Schutzumschlägen. Außerdem ist nicht nur das Genre an sich von Phantasie und Einfallsreichtum geprägt - die Sammler und Bibliographen sind es mitunter auch. Da stehen oft so herrlich verlockende Vorankündigungen des Verlags auf der Rückseite eines alten Heftes oder Buches - die nimmt ein gewissenhafter Sammler selbst-verständlich erstmal in seine Suchliste hinein, selbst wenn er sich ziemlich sicher ist, daß einige der Titel nie erschienen sind. Wird ein Buch lange genug gesucht, so beginnt es auf zauberhafte Weise gleichsam zu existieren. Ein Bibliograph nimmt´s in gutem Glauben in sein Werk hinein, andere Bibliographen ziehen nach, und damit wird die Sache zum Pro-blem. So manche Legenden nicht existierender Bücher und nie gedruckter Hefte geistern schon seit Jahrzehnten durch die Szene und sind einfach nicht totzukriegen.

Es ist schwer zu beweisen, daß ein Buch oder ein Heft nicht existiert. Und darum sind Bestandskataloge - ehrlich geführte Kataloge von Bibliotheken und Sammlern aller Genres - so wichtig. Noch besser ist es natürlich, wenn man die Existenz strittiger Titel zusätzlich mit Abbildungen belegen kann. Und weil niemand im voraus weiß, was in der Zukunft zu den Raritäten zählen wird, ist es besser, auch das, was heute nicht danach aussieht, gründlichst zu erfassen - solange es noch existiert und greifbar ist. Denn ist das einmal nicht mehr der Fall, ist es zu spät. Darum liegt jedem Heft meines Katalogs eine CD bei, auf der alle in der Sammlung enthaltenen Bücher und Hefte mit meist mehreren Bildern vertreten sind. Die Abbildungen enthalten eine Fülle zusätzlicher Informationen, von denen sich viele schriftlich nur schwer vermitteln lassen - "blaues Leinen mit Titel-Vignette" trifft z.B. meist nicht das, was man eigentlich meint. Darüber hinaus enthalten die Einbände und Schutzumschläge neueren Datums fast immer auch die ISBN-Nummern. Die Original-Preise, Informationen über die Autoren und über die Inhalte, Vorankündigungen aus den Verlagsprogrammen sowie interessante Werbeseiten aus allen Zeiten ergänzen das Gesamtbild. Die CDs sind damit nicht nur interessantes „Bildmaterial“, sondern ein Stück Zeitgeschichte und machen aus der Bibliographie ganz nebenbei auch gleich noch einen Werkführer.

Und natürlich sind all diese Bilder auch für Sammler interessant. Die Chance, ein Buch zu finden, ist um so größer, je besser man weiß, wie es aussieht - von vorne und von hinten, vor allem vom Rücken her, und das alles mit und ohne Schutzumschlag, mit und ohne Schuber, mit und ohne Streifband.

Aber der eigentliche Sinn des Katalogs besteht natürlich darin, diese einzigartige Sammlung zu dokumentieren. Mein Mann kannte nicht nur unglaublich viele Bücher (er war nur höchst selten ohne Buch in der Hand anzutreffen und las, wo immer er saß oder stand), sondern er wußte auch unheimlich viel über die Autoren, über die Verlage, über Intrigen, Verflechtungen und politische Hintergründe. Er hat im Laufe der Jahrzehnte in unzähligen Fanzines seine Spuren hinterlassen, hat Vorträge gehalten und jeden, der ihn fragte, bereitwillig an seinem Wissen teilhaben lassen. Sein wichtigstes Vermächtnis ist und bleibt die Zusammenstellung all der Materialien, die er zu seiner Sammlung formte.

Einen Katalog zu schreiben, ist eine Sache - dafür braucht man nur eine Menge Zeit und Ausdauer. Ihn unter die Leute zu bringen, ist etwas ganz anderes. Schon allein die Daten für die erzählende Literatur dürften nach meiner Schätzung rund 3000 Seiten füllen. So etwas macht sich als Buch etwas schwer in der Hand, und ich glaube nicht, daß ich einen Verlag dafür finden würde. Also verarbeite ich je 60 Seiten zu einem Heft. Das drucke, falze und klammere ich selbst, immer strikt nur nach Bedarf und auf Bestellung - was nebenbei bemerkt den großen Vorteil hat, daß ich keine Schulden bei irgendeiner Druckerei habe und nicht auf unverkauften Auflagen sitze, die ich irgendwann not-gedrungen verramschen müßte.

Die Sammlung Ehrig ist, wie der große Jules Verne Sammler Wolfgang Thadewald so schön sagte, „ein einzigartiger kulturhistorischer Schatz.“ Dieser Katalog soll dafür sorgen, daß die Sammlung nachvollziehbar bleibt. Sie wird auf diese Weise gewissermaßen jedem zugänglich.

Marianne Sydow